Vertreternerven

Das Leistungsschutzrecht zeigt nun, eineinhalb Jahre nach seiner Verabschiedung, welchen Schaden es anrichtet. Schon im Vorfeld dieses durch puren Lobbyismus entstandenen Gesetzes warnten eigentlich alle denkenden Menschen vor den Risiken eines Gesetzes, das schwammig formuliert und nicht angepasst an die moderne Welt des Internets ist. In der verqueren Logik der Presseverlage, allen voran natürlich der Springer-Verlag, solle Google dafür bezahlen, wenn es Suchergebnisse mit Snippet (Textausschnitt) und Bild anzeigt, die auf den jeweiligen Artikel verlinken. Man stelle sich vor, ein Lokal verlange eine Gebühr von der Tourismuszentrale dafür, dass Kunden in Richtung des Lokals geschickt werden, wenn ein Teil aus der Speisekarte präsentiert wird. 

Dieses Gesetz war und ist so dermaßen unlogisch, dass es eine kleine, traurige Sensation war, als es dann im März 2013 verabschiedet wurde. Die meisten vernünftigen Verlage setzten Schreiben für Google auf, in dem sie ausdrücklich auf ihr neues Recht verzichteten, den Dienstleister zur Kasse zu bitten. Viele andere Verlage organisierten sich in der VG Media, die zum Ziel hat, Google zum Zahlen zu zwingen und das LSR durchzusetzen. Über viele juristische Scharmützel ging das hin und her, und als die VG Media nach einer gescheiterten Kartellrechtsklage ernst machen wollte, verzichtete Google darauf, die Presseerzeugnisse der VG Media kostenpflichtig mit Snippet und Bild anzuzeigen. Stattdessen kündigte Google an, künftig von VG Media-Verlagen nur noch Überschriften zu präsentieren. Vollkommen erwartbar und vollkommen zu Recht. Die VG Media ruderte daraufhin in den letzten Tagen zurück und formulierte eine „Gratiseinwilligung“. Mit knirschenden Zähnen gibt die VG Media klein bei, sieht sich selbst als Opfer des bösen Monopolisten Google und erlaubt nun die Nutzung der Erzeugnisse so wie die anderen Verlage vorher schon.

Ein bisschen Streit zwischen einer Lobbyvereinigung und dem Konzern Google scheint erstmal nicht sonderlich dramatisch. Lassereden. So richtig interessiert sich eh niemand für Springermedien, und wer es doch tut, ist halt selber Schuld. Aber nebenher hat das LSR mal eben Googles Monopol verstärkt anstatt es zu brechen.

Kleinere Anbieter, wie T-Online und Web.de schmissen alle Verlage der VG Media aus den Suchergebnissen, weil nicht abzusehen war, was für Klagen über kurz oder lang von der VG Media eingereicht werden. Kleinere Blogs, wie links.historische stellten sogar den Betrieb ganz ein, weil sie sich keine Klage eines Verlags leisten konnten. Aus Angst vor der Ankündigung der VG Media, das LSR voll wahrzunehmen wurde mal eben ein Großteil der deutschen Sekundärpresselandschaft gebrandrodet.

Und jetzt hat Google die Erlaubnis, alle Ergebnisse anzuzeigen und alle kleineren Mitbewerber verschwinden aus Angst vor Klagen. Es ist zu hundert Prozent das Gegenteil dessen eingetreten, was die VG Media erwartet hat, und zu hundert Prozent das, wovor alle Kritiker frühzeitig gewarnt haben.

Da ich das ganze nicht mit einem Schulterzucken abtun wollte, habe ich mal geguckt, wer für mich im Bundestag sitzt. Demokratie und Vertretung und so. Aus meinem Wahlbezirk in Berlin-Pankow sitzt Herr Liebich (Die Linke) und Herr Mindrup (SPD) im Bundestag. Beide habe ich angeschrieben und nach Darlegung des Sachverhalts um eine Stellungnahme gebeten. Mal sehen was bei raus kommt.

Hier die Mail an die beiden MdB im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Mindrup/Liebig, ich bin Bürger aus dem Wahlkreis in Berlin-Pankow, über dessen Landesliste Sie ihr Mandat im Bundestag erlangt haben/ich bin Bürger aus Ihrem Wahlkreis in Berlin Pankow.

Mit Bestürzen habe ich die Entwicklung infolge der Einführung des Leistungsschutzrechtes verfolgt.

Im Rahmen des Leistungsschutzrechtes (LSR) wurde nach massiver Lobbyarbeit festgeschrieben, dass Presseerzeugnisse auch in Anrissen und als Thumbnail nur gegen eine nicht präzise genannte Gebühr von Suchmaschinen und Newsaggregatoren verwendet werden dürfen. Abgesehen von der unnötig schwammigen Formulierung bezüglich Umfang der Ausrisse und anderen Problemen, zeigt sich nun, welchen Schaden das LSR außerdem anrichtet.

Google, welches gezielt zur Kasse gebeten werden sollte, hat wie erwartet reagiert und die Zahlung von Gebühren für eine Serviceleistung gegenüber den Verlagen verweigert und reagierte mit einer verknappten Darstellung der Suchergebnisse für die Presseerzeugnisse, die in der VG Media organisiert sind. Die VG Media vertritt die Verlage, die keine Nutzungserklärung für Google formuliert haben, und die auf eine Durchsetzung des LSR pochen. Aus Angst vor der zu erwartenden Schlechterstellung in den Suchergebnissen rudert die VG Media zurück und erteilt nun eine „Gratiseinwilligung“, die Google die vollständige Einbindung von Presseerzeugnissen erlaubt. Gleichzeitig listen kleinere Anbieter wie T-Online alle VG Media organisierten Verlage aus der Suche aus, und viele Blogs und Newsaggregatoren stellen ihre Angebote ein, um Klagen aufgrund des schwammig formulierten LSR zu vermeiden.

Ein Gesetz, dass zur Einschränkung von Googles Monopol gedacht war, verstärkt dieses nun auch noch, indem kleinere Anbieter aus Furcht vor Klagen verschwinden und Google einen exklusiven Freifahrtschein erhält. Das LSR hat, wie zu erwarten, einen unfairen Marktvorteil von Google erzeugt, der vorher nicht vorlag. Die VG Media ist kolossal gescheitert.

Wie ist Ihre Haltung zur Problematik des LSR und was gedenken Sie zu tun, um das LSR einzuschränken bzw. abzuschaffen? Wie planen Sie in Zukunft zu reagieren, wenn solche von vornherein offensichtlich undurchdachten Gesetze dem Bundestag vorgelegt werden?

Ich freue mich auf Ihre Einschätzung, mit freundlichen Grüßen

Joram Schimmeyer „

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